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Gilbert hat seit ein paar Monaten wieder eine Beziehung. Seine neue Flamme Vanessa ist Esoterikerin. Sie legt Karten, hüpft einmal pro Woche um ein Lagerfeuer und reibt sich bei Vollmond mit Zwiebel ein, um ihre Aura zu reinigen. Gilbert konnte sich durch sie weiterentwickeln. Er ist zwar noch immer ständig pleite und spricht beim Essen konsequent mit vollem Mund, aber seine Verbindung mit dem Universum ist durch Vanessa viel intensiver und klarer. Gilbert und Vanessa kennen sich schon seit hunderten von Jahren. Bereits im Mittelalter sind sie sich begegnet und führten zusammen ein Leben voller Magie und Leidenschaft. Wie es bei vielen reinkarnierten Seelen halt so ist, waren auch sie in allen vorangegangen Leben bedeutende Menschen. Einst trafen sie sich als mächtiger Zauberer und wunderschöne Hexe.
Wieso sagt nie jemand: „Früher lebte ich als leibeigener Bauer, hatte mit 25 keine Zähne mehr im Maul und bin mit 30 Jahren gestorben, weil ich in eine Jauchegrube fiel und erstickte.“ Das wäre mal eine glaubwürdige Geschichte. Damit könnte man mich von Reinkarnation überzeugen. Stattdessen waren sämtliche „alte Seelen“ entweder Sisi, Kleopatra oder Dschingis Khan. Adolf Hitler will hingegen keiner gewesen sein.
Aber zurück zu Gilbert und Vanessa. Der Bekanntenkreis der beiden profitiert von ihrem Wissensvorsprung. Zum Beispiel Dietmar. Der mag zwar seinen Job, leidet aber unter seinem cholerischen Chef. „Deine Chakrenkanäle sind zu weit offen“, sagt Vanessa. Alle am Tisch verstehen. Dietmar ist selber schuld, wenn sein Chef ihn anschreit. Er müsse nur sein Chakrendingsbums in Ordnung bringen. Oder kündigen. Dietmar wendet ein, dass er bei einer Kündigung seine Fixkosten nicht bezahlen könne und seine Abfertigung verlieren würde. „Du hast Angst vor dem Leben und der Freiheit. Das Universum wird für dich sorgen“, beruhigt ihn Gilbert, der sich immer Geld von Dietmar ausleiht, wenn ihm wieder mal der Strom abgedreht wird. „Du musst erst dein Bewusstsein ganz erfassen“, erklärt Vanessa Dietmar. Sie borgt Gilbert übrigens nie Geld. Denn das, so sagt sie, würde ihre spirituelle Partnerschaft gefährden.