Der Städtetrip

Noch nie hat jemand ein zweites Mal eine Reise für den harten Kern organisiert.

Robert und Helmut philosophierten in Bierlaune über die Vorzüge der holländischen Hauptstadt.
„Der harte Kern sollte gemeinsam hinfahren. Wer organisiert das?“
Damit waren alle angesprochen, außer Robert und Helmut. Verantwortung lehnen sie eher ab.

Dafür sind sie als Duo so etwas wie der fleischgewordene Albtraum jedes Reiseleiters. Helmut ist ein Pünktlichkeits-Phobiker. Er lässt andere notorisch mit einer Selbstverständlichkeit stundenlang auf sich warten, die seinesgleichen sucht. Außerdem ist sein Wohlbefinden von der ständigen Griffbereitschaft diverser Utensilien abhängig. Ganz oben auf der Liste stehen Franzbranntwein und feuchtes Klopapier.
Helmut ist für Beschwerden zuständig. Die Laminatböden der Hotelzimmer sind von unterschiedlicher Qualität? Robert bemerkt es. Und schreckt nicht davor zurück, andere ausgiebig davon in Kenntnis zu setzen.
Überlässt man die beiden zu lange sich selbst, streiten sie. Nach einem Dublin-Trip redeten sie ein Jahr lang nichts mehr miteinander. Der Konflikt hatte angeblich irgendetwas mit Zahnfleischbluten zu tun, aber so genau weiß das bis heute niemand.
Der Rest des achtköpfigen harten Kerns hat ebenfalls einiges an Neurosen zu bieten. Aber das würde den Rahmen sprengen.

„Ich mache es,“ schrie Martha. Als harter-Kern-Baby war sie noch unverbraucht. Und sie bewies Organisations-Talent. Innerhalb kürzester Zeit buchte Martha günstige Flüge und ein Appartement für acht Personen im Zentrum von Amsterdam.

Rainer, von Beruf Freigeist, war das viel zu spontan. „Eine Bekannte hat erst am Vorabend gebucht und nur zwanzig Euro für das Ticket bezahlt.“
Dietmar plagten ganz andere Bedenken. „Es ist zu riskant, wenn wir in Frankfurt umsteigen. Wir werden hundertprozentig den Anschluss versäumen.“
Robert wiederum sah nicht ein, dass Pärchen immer ein Doppelzimmer bekommen. „Wir Singles werden dauernd benachteiligt.“
Lisa beschwerte sich, dass sie das Flugticket nicht ausdrucken konnte, weil ihre Druckerpatrone leer war.
Helmut wollte sowieso lieber mit dem Zug fahren, weil er im Flieger seinen Franzbranntwein nicht im Handgepäck mitnehmen durfte.

Es war so wie immer.

Martha beschwerte sich nicht. Es fiel nur auf, dass sie seit kurzem ein bisschen mehr trank als sonst. Mir wurde klar, dass es bald wieder Zeit wurde, den Freundeskreis zu erweitern. Auch wenn es sehr erstaunlich klingt, aber noch nie hat jemand ein zweites Mal eine Harte-Kern-Reise organisiert.

Alexandra Gruber schreibt und fotografiert für dieZeitschrift. Sie wohnt in Wien-Neubau, geht oft ins Cafe Europa und färbt sich seit jeher ihre Haare rot. Manchmal beschleicht sie die bange Ahnung, sie sei ein Bobo.