Foto: Marko Mestrovic
Sozialdumping

Die SVA, die Auftraggeber und die Konsorten

Mittwoch, 14. Mai 2014
Viele Journalisten kämpfen seit Jahren alleine mit Sozialdumping durch ungesetzliche Dienstverträge, finanziell schwachen Medienhäusern und schwindenden Aufträgen. Dabei werden die Anforderungen an Journalisten immer mehr: Sie sollen tiefgehend recherchieren, knackige Texte schreiben, großartige Fotos machen, spannende Videos drehen und jeden Social-Media-Kanal kennen. Geht nicht? Geht doch.

Acht Journalisten, Fotografen, Grafikdesigner, Webdesigner und Videojournalisten gründeten 2012 das Konsorten-Kollektiv, um sich gemeinsam nach außen hin zu präsentieren. Einmal monatlich treffen sie sich, um Geschichten und etwaige Probleme zu besprechen und um sich gegenseitig zu motivieren und zu inspirieren. In unterschiedliche Konstellationen schreiben, fotografieren und filmen sie für Aufträge. Nun haben sie erstmals als Kollektiv einen Auftrag von den niederösterreichischen Bergbahnen erhalten. Die Konsorten erstellten und befüllten einen Blog über Leute aus den Bergregionen Niederösterreichs. Sie schreiben über wenig bekannte und kaum bewohnte Dörfer.

Mara Simperler ist Journalistin und Mitglied des Konsortenkollektivs und sprach mit dieZeitschrift über neue Wege des Journalismus, Sozialversicherungsbeiträge und Glück.

dieZeitschrift.at: Wie entstand das Konsorten-Kollektiv?
Mara Simperler: Als informelles Kollektiv gab es uns schon lange vor der offiziellen Gründung Ende 2012. Inzwischen sind wir acht Mitglieder. Wir kennen uns schon seit Jahren, mit zwei Kollegen habe ich studiert, jemand anderen kenne ich vom Reporterwettbewerb der Presse. Wir schlossen uns zusammen, um uns gemeinsam nach außen zu präsentieren.

dieZeitschrift.at: Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Mara Simperler: Einmal im Monat setzen wir uns zusammen und besprechen Projekte. Wir sind freie Journalisten, Fotografen, Videojournalisten und Grafikdesigner und arbeiten teilweise auch zusammen an Geschichten. Für uns ist das eine Art Redaktionssitzung, die man als Freelancer ja normalerweise nicht hat. Wir besprechen auch, was wir cooles gefunden haben und Sachen, die uns motivieren und inspirieren. Wir haben jetzt erstmals als Kollektiv einen Auftrag erhalten und besprechen, was gut gelaufen ist, was uns gefallen hat, wo die Schwierigkeiten waren.

dieZeitschrift: Welches Projekt ist das?
Mara Simperler: Die niederösterreichischen Bergbahnen beauftragten uns, einen Blog zu machen, in dem wir Leute aus Bergregionen vorstellen. Das haben wir jetzt zum ersten Mal gemacht. Das reicht in den Bereich Corporate Publishing. Uns gefielen die unterrepräsentierten Geschichten von wenig bewohnten Orten und das war eine Möglichkeit, die Geschichten multimedial zu erzählen.

dieZeitschrift.at: Welche Probleme sehen Sie für freie Journalisten in Österreich?
Mara Simperler: Das Thema kommt immer auf. Wir sehen uns ja nicht nur einmal im Monat, sondern arbeiten an verschiedenen Projekten zusammen, und da kommt das Thema natürlich immer wieder zur Sprache. Es ist kein Geheimnis, dass der österreichische freie Journalismus an der Bezahlung krankt. Dass man sich das Leben als freier Journalist oft nur leisten kann, wenn man den Kompromiss eingeht und auch Sachen macht, die nicht unbedingt dem Journalismus klassischer Medien entsprechen. Wir versuchen, neue Wege zu finden.

dieZeitschrift.at: Was wären diese neue Wege?
Mara Simperler: Ich glaube, dass alleine der Zusammenschluss und der gemeinsame Auftritt uns hilft. Es gibt in Österreich einige interessante Initiativen, z. B. Dossier und Paroli. Ich glaube, die kreativen und motivierten Leute finden sich immer. Leute, die ihren eigenen Weg gehen. Ich glaube, das Schwierige ist, neben der Passion von der Arbeit auch noch leben zu können. Wir verstehen uns nicht ausschließlich als Redaktionskollektiv, sondern jeder macht sein eigenes Ding, aber wir haben den gemeinsamen Auftritt nach außen. Jeder ist selbst verantwortlich, sein Gehalt zu verdienen.

dieZeitschrift.at: was würden Sie sich als freiberufliche Journalistin von den Medien wünschen?
Mara Simperler: Ich wünsche mir, dass bei der Auftragsvergabe klare Richtlinien vorgegeben werden. In Deutschland bekommt man öfter von vornherein einen Werkvertrag, in dem genau festgelegt ist, was, wie und wann abzuliefern ist und wie der Beitrag entlohnt wird. In Österreich wird das oft mündlich oder per E-Mail ausgemacht und oft fehlt der Vereinbarung Hand und Fuß. Vor allem, wenn die Redaktion nachträglich Überarbeitungen verlangt, wird das meist nicht mehr abgegolten.
Ich wünsche mir, dass Freelancer fair bezahlt werden. Viele Medien verlassen sich darauf, dass Freelancer ihnen gute Artikel liefern. Das sollte sich auch in finanzieller und kollegialer Wertschätzung niederschlagen. Die Medien sollten auch anerkennen, dass sie die Freelancer brauchen.

dieZeitschrift.at: Haben Sie schon jemals den für „fixe Freie“ vorgesehenen Infrastrukturaufwand erhalten?
Mara Simperler: Nein, natürlich nie. Gängig ist, dass man nach Zeichen bezahlt wird. Ich habe erst in den letzten Wochen überhaupt vom Infrastrukturaufwand gehört, demzufolge Medien auch die Recherche bezahlen sollten. Ich wäre sehr dafür, wenn dass das Standard wird. Zwei Drittel der Arbeit ist Hintergrundrecherche, und dafür würde ich gerne bezahlt werden. Es macht keinen Sinn, möglichst viele Zeichen in einen Text zu pressen.

dieZeitschrift.at: Welche Erfahrungen haben Sie mit der SVA gemacht?
Mara Simperler: Ich verstehe, dass ich mich selbst versichern muss, aber ich verstehe nicht, warum ich erst drei Jahre später abgerechnet werde. Den Selbstbehalt halte ich für ungerecht, ebenso, dass man bei der SVA zwangsversichert wird und keine Möglichkeit hat, zwischen verschiedenen Versicherungsmodellen zu wählen. Ich bin der Meinung, dass das System reformiert werden muss, weil die Zahl der Selbstständigen stetig wächst. Es muss auch Selbstständigen möglich sein, sich adäquat zu versichern.

dieZeitschrift.at: Was wünschen Sie sich von den Medien?
Mara Simperler: Ich wünsche mir mehr Mut zu Innovationen, dass man sich stärker traut, sich mit den neuen Medien anzufreunden und diese auszuprobieren. Dass nicht immer nur auf das Geld geschaut wird. Der Journalismus spielt in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Wenn man von Redaktionen allerdings nur mit Zahlen konfrontiert wird, ist das kontraproduktiv für guten Journalismus.

dieZeitschrift.at: Können Sie als freie Journalistin überleben?
Mara Simperler: Reich werde ich nicht, aber vielleicht glücklich.

Mara Simpeler schreibt für das Wiener Journal, Red Bull Bulletin und andere Medien. Zusammen mit einer Kollegin hat sie vom Presseclub Concordia das Egon-Kisch-Stipendium für einen Dokumentarfilm erhalten. Sie ist Mitglied des Konsorten-Kollektivs

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