Martin Melcher
Roman

Das Klopapier-Format

Sonntag, 21. September 2014
Jack Kerouac verfasste „On the road“ auf einer vierzig Meter langen Papierrolle, Daniel Glattauer schrieb den Email-Roman "Gut gegen Nordwind", Jennifer Egan veröffentlichte einen Agentenroman in Twitterformat. Und seit 2010 schriftstellert Gergely Teglasy gemeinsam mit 16.077 Social-Media-Freunden den ersten Facebook-Roman. Dieser soll nun auf Klopapierrollen erscheinen.

Die Frage von Teglasys Tochter „Gibt es Geschichten auf Facebook“, brachte den Kommunikationsexperten und Autor auf die Idee, unter dem Akronym TG die ersten 420 Zeichen des Facebookromans „Zwirbler“ zu schreiben:

Zwirbler ist überzeugt, dass man aus seinen Misserfolgen wesentlich mehr lernt als aus Erfolgen. Schmerz. Ein brennender Schmerz weckt ihn. Das Bettlaken ist blutgetränkt. Frisch. Menstruationsrot. Das Piercing war demnach keine gute Idee gewesen. Er steht auf, geht in die Küche. Sucht, findet und steckt das Essstäbchen in die Wunde. Ein koreanisches. Es blutet weiter. Sollte er zum Arzt?

Seit Beginn schreiben die Zwirbler Facebookfans am Roman mit. Lenken die Handlung in absurde Richtungen und stellen den österreichischen Autor Teglasy immer wieder vor neue Herausforderungen, um einen roten Faden zu finden.

Auf einer App, auf 70 Bildschirmen der Uniscreens und als Podcast folgen Zwirblerfans dem Protagonisten auf Verfolgungsjagden, Liebesabenteuern und der Suche nach seiner Schwester Danni in Stripclubs und Katakomben. Wie es ausgeht, erfahren jedoch nur jene, die das Buch kaufen werden. Der gesamte Roman samt Finale soll Ende 2014 auch als E-Book, Hörbuch und als Sonderedition auf Klopapierrollen erscheinen.

Die Kosten, 15.000 Euro, sollen via Crowdfunding eingesammelt werden. Als ganz spezielles Goodie wischt der Autor großzügigen Spendern eigenhändig den Hintern ab.

„Wir mögen schräge und abgefahrene Ideen“

Autor Gergely Teglasy
kladde
Autor Gergely Teglasy

Hinter dem Projekt steht das deutsche Crowdpublishing-Start-up Kladde. „Wir mögen schräge und abgefahrene Ideen“ sagt die Lektorin des Verlages Katharina Gebs, „aber die verrückteste Idee ist wahrscheinlich der Zwirbler.“

Es ist ihr sechstes Crowdpublishing-Projekt. Bisher verlegten sie ein vom Schwarm finanziertes Buch: Ulrich Pätzolds „Berlin Geschichte in Geschichten“. Drei Buchideen unterstützte die Crowd nicht. „Die Autoren waren kaum präsent, gaben keine Interviews und engagierten sich wenig“, sagt Gebs, „sie haben ihre Netzwerke nicht aktiviert, weil sie wohl das Gefühl hatten, zu betteln.“

Dabei unterstützt Kladde die Autoren bei den Vorbereitungen der Kampagnen, beim Videodreh, der Auswahl der Prämien und der Errechnung der Fundingzielsumme. Wird das Buch finanziert, lektorieren, drucken, vertreiben sie es in Zusammenarbeit mit der Initiative „Buy local“ und vor allem in unabhängigen Buchhandlungen.

Burlesque Pakete

„Literatur via Crowdfunding zu unterstützen, ist für viele Menschen noch neu“, sagt Gebs. Deshalb betreiben sie nicht nur Marketing für zu finanzierende Bücher, sondern auch für die Idee des Crowdfundings. Zum Beispiel gibt es für jede Unterstützung – je nach Betrag – Prämien: von Büchern mit Widmung, Burlesque Paketen, Wohnzimmerevents bis hin zur Benennung eines Charakters im Buch oder Einladungen als VIP-Gast auf Launchparties, um die Autoren persönlich zu treffen.

Jeder kann bei Kladde Manuskripte einreichen. Neben Qualität und Thema berücksichtigt der Verlag allerdings auch, ob der Crowd das Buch gefallen würde. „Auch oder vor allem wenn das Thema absurd ist, könnte es viele Unterstützer finden.“ Es zahlt sich auch für die Autoren aus, anstatt den üblichen 7 Prozent erhalten sie zwischen 20 und 30 Prozent des Verkaufspreises.“

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