Alexandra Gruber
Initiative

Das echte Wienerisch geht nicht unter

Samstag, 30. November 2013
Wie Wienerisch sich anhört, ist allgemein bekannt. Wie man es schreibt, darüber lässt sich oft streiten. Mit einem neuen Übersetzungsprogramm Hochdeutsch versus Dialekt soll sich das ab nächstem Jahr ändern.

MOSES wird in Zukunft den Wiener Dialekt ins österreichische Hochdeutsch übersetzen. Moses ist kein Prophet sondern das Programm, das seit drei Jahren mit dem umfangreichen Sprachschatz der Hauptstädter gefüttert wird.
„Dieses Programm wurde in Edinburgh entwickelt und wird in vielen Projekten für maschinelle Übersetzung genutzt", sagt Friedrich Neubarth vom OFAI. Er ist einer der Wissenschaftler, die das Projekt, das durch den WWTF gefördert wird, umsetzen. „Wir haben die Methodik fürs Übersetzen in Dialekte zwar nicht zur Gänze erfunden, aber weiterentwickelt", erklärt Neubarth. Ab Anfang nächsten Jahres soll dieses Übersetzungsprogramm im Internet frei zugänglich sein. Die Wissenschaftler hören sich den Dialekt zunächst an und entscheiden dann, wie das Wort geschrieben wird. Zum Beispiel Geld versus Göd.

Sylvia Moosmüller, Wiener Dialekt
ÖAW
Sylvia Moosmüller vom ARI

Bisher gibt es keine einheitliche Verschriftung des Wienerischen. „Wir haben uns hauptsächlich an der Aussprache orientiert, so wie damals auch H.C. Artmann", sagt die Phonetikerin Sylvia Moosmüller vom ARI, ebenfalls eine Mitarbeiterin des Projekts. Artmanns Verschriftung gehe sehr ins Detail, sei daher schwierig zu lesen, anderseits aber in sich stimmig.

Auf Authentiztät wird Wert gelegt. Deshalb verzichteten Moosmüller, Neubarth und ihre Kollegen auf Quellen wie Mundl oder den Kaisermühlen Blues. Bei einem vorangegangenen Projekt haben sie herausgefunden, dass Schauspieler den Dialekt oft übertreiben, um die Stereotypen ihrer Charaktere mehr hervorzuheben. Daher orientieren sich die Wissenschaftler lieber an der Sprache der Durchschnittswiener.
„Wir haben uns Spiras Alltagsgeschichten angesehen und auf Interviews mit Dialektsprechern aus unserer Datenbank zurückgegriffen", sagt die Wissenschaftlerin.

Das Meidlinger L ist männlich

Factbox

Sylivia Moosmüller arbeitet am Institut für Schallforschung (ARI)

Friedrich Neubarth ist beim OFAI (Austrian Research Institute für Artificial Intelligence) zu erreichen:

Der WWTF (Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds) ist eine privat- gemeinnützige Förderorganisation für Wissenschaft und Forschung.

Nebenbei haben die Sprachforscher herausgefunden, dass das berühmte Meidlinger L fast ausschließlich von Männern gesprochen wird. Moosmüller hat dafür eine Erklärung. „Frauen legen mehr Wert darauf, als gebildet wahrgenommen zu werden. Außerdem arbeiten sie häufiger in Berufen mit Kundenkontakten, in denen Hochsprache erwartet wird." Vielleicht bedeutet das, dass der Meidlinger Zungenschlag kein naturgegebener Schicksalsschlag, sondern eine bewusste Entscheidung des Sprechers ist.
„Die Hochsprache gilt als Sprache der Gebildeten. Besonders der Wiener Dialekt wird negativ bewertet. Dem könnte man zum Beispiel in der Schule entgegenwirken", schlägt die gebürtige Oberösterreicherin vor.

Ist das Wienerische vom Aussterben bedroht? Moosmüller schüttelt den Kopf. „Das glaube ich nicht. Es wird sich verändern, weil sich jede Sprache ständig ändert." Dabei würden auch die Migranten eine große Rolle spielen. Vor allem der Einfluss der größten Zuwanderergruppe in Österreich sei nicht zu unterschätzen. Das sind die Deutschen.

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