
Eigentlich hatte Verena mit Chören nichts am Hut. Obwohl sie seit ihrer Kindheit in Vorarlberg bereits in Orchestern und Musikgruppen Klavier und Violine gespielt hatte, kam die Lust zum Gesang erst nach ihrem Umzug nach Wien. Hier probierte sie einige Chöre aus, fand aber nicht den richtigen. Also gründete sie kurzerhand selbst einen Chor, den Schmusechor. Gründungsort war das 20 Quadratmeter große Zimmer in einer Vierer-Wohngemeinschaft. „Vor drei Jahren sangen wir erstmals mit vier FreundInnen zusammen,“ sagt sie. Im Bekanntenskreis sprach es sich schnell herum, innerhalb kurzer Zeit kamen viele SängerInnen dazu. Heute singen im Schmusechor 30 Leute. Verenas Schlafzimmer wurde schnell zu eng, und da sich mittlerweile die Nachbarn beschwerten, mussten sie umziehen – zunächst in einen eiskalten Keller, später in einen Gemeinschaftsproberaum.
Schmusechor

Der Name des Chors stammt von der zweiten großen Leidenschaft der Gründerinnen neben dem Singen: dem Schmusen. Hinter dem Chor steht kein großes Konzept: die meisten Mitglieder haben bisher sprichwörtlich nur unter der Dusche gesungen; nun trifft man sich wöchentlich, um basisdemokratisch Performances und Lieder zu erarbeiten. „Wir kennen uns, wir mögen uns und diese Gruppendynamik spürt man im Chor und beim Gesang,“ sagt Verena.
Inzwischen tritt der Chor bei Festivals und Straßenfesten auf, singt auf Bauernhöfen und spontan in U-Bahn-Stationen. Sehr zur Verstörung mancher Zuhörer: ein U-Bahn-Benutzer glaubte gar, sie seien von einer Sekte, als er „Hol dich der Teufel“ aus Beethovens Canon „Signor Abate“ hörte.
Schmuseevent
Das Programm ist bunt gemischt. Der Chor lässt sich von so unterschiedlichen Einflüssen wie dem Berliner Kneipenchor, Beethoven oder den Soul-Musiker Aloe Blacc inspiereren. Jetzt haben sie auch ihre erstes eigenes Arrangement aufgeführt: ausgerechnet im Keller des Café Prückel, wo im Jänner 2015 zwei Frauen wegen Küssens des Lokals verwiesen wurden, traten sie mit dem nahe liegenden Titel „Schmusen“ auf. Beim Auftritt gab es neben großartigem Gesang, einer ironisch-lustigen Performance auch noch ein publikumübergreifendes interaktives Schmuseevent. „Wir wollen schon ein bisschen aufregen,“ lacht Verena.
Abschmusen statt Abschieben
Viele der Schmusechor-SängerInnen haben sich in den letzten Wochen auch für Flüchtlinge eingesetzt. Sie bringen wöchentlich in Zusammenarbeit mit der Initiative HAPPY.THANK YOU.MORE PLEASE!! Hilfsgüter nach Traiskirchen, verteilen Essen an Bahnhöfen, heißen Flüchtlinge willkommen und laden sie in ihre Wohnungen ein. Daraus ist die Aktion „Abschmusen statt Abschieben“ entstanden. „Am Anfang der so genannten Flüchtlingskrise fragte ich mich, wo sind die Musiker, warum hört man nichts von ihnen? Also beschlossen wir ein Zeichen setzten. Es war uns wichtig, dass wir unsere Stimmen positionieren.“ Die Message „Abschmusen statt Abschieben“ ist durchaus provokant und das soll sie auch sein, sie darf ruhig aufstoßen, soll Menschen ansprechen und zum Nachdenken anregen.“
Seit einigen Wochen drucken sie ihren Slogan in Handarbeit auch auf T-Shirts. Der Reinerlös geht an die Initiative trainofhope. Die Shirts können für 20 Euro auf: Facebook bestellt werden.