Marliese Mendel
Kanupolo

„Wir reiten auf Seepferdchen“

Samstag, 22. November 2014
Wenn jemand „Angriffswelle“ schreit, weiß Jens Eipper, was zu tun ist. Dann paddelt er los, quetscht sich in eine Lücke zwischen zwei Kanus und wirft den Ball in Richtung Tor. Er spielt Kanupolo, eine relativ neue Sportart in Wien. dieZeitschrift hat das Team besucht und erfahren, dass sie weder auf Seepferdchen noch auf Pferden reiten und auch kein Tretbootgolf spielen.

Das Spielfeld ist die Alte Donau. Eine Schwimmleine grenzt das 23 x 35 Meter große Spielfeld ab und an den kurzen Seiten hängen die nur einen Meter hohen und 150 Zentimeter breiten Tore auf einem Gestell in zwei Meter Höhe. Fünf Kanufahrer versuchen den Ball mit der Hand oder dem Paddel ins Tor zu schießen. Es kann bei den Spielen recht rau zugehen. Schubsen und stoßen des Gegners ist erlaubt, wenn er den Ball hat, ziehen oder ins Gesicht schlagen allerdings nicht. Dafür krachen die Kanus ordentlich aufeinander. Das sieht man ihnen nach einiger Zeit auch an.

Pferde- oder Gänseköpfe

Kanupolo: Kampf um den Ball
Wikipedia/Andreas Köberle
Kanupolo: Der Kampf um den Ball

Die ersten Kanupolospieler gab es 1880 in Schottland. Sie ritten auf Fässern, auf denen vorne hölzerne Pferde- oder Gänseköpfe und hinten Schwänze angebracht waren. Sie versuchten sich gleichzeitig auf dem wackeligen Gefährt zu halten und den Ball ins Tor zu befördern. 1884 spielte man schon in Kanus. Seit 1926 wird der Sport in Deutschland gespielt. Ursprünglich spielte man in vier Meter langen Holzbooten, auf einem viel größeren Spielfeld. 1943 wurde das Spielfeld verkleinert und man spielte in Kajaks. Also müsste der Sport eigentlich Kajak-Polo heißen. „Das ist nur eine technische Spitzfindigkeit“ sagt der Trainer des Wiener Teams, Felix Kutscha. „Im Kajak sitzt man auf seinen Pobacken, hat die Beine nach vorne gestreckt und hält ein Paddel. Während man im Kanu auf seinen Beinen sitzt.“

In den 60er Jahren wurden immer mehr Schwimmbäder in London gebaut und man suchte nach einem kleinen, kompakten Kajak, in dem man Kindern das Paddeln und die Eskimorolle beibringen kann. In den 70er-Jahren entbrannte ein Streit, ob man das Paddel zum Werfen der Bälle einsetzen darf oder nicht. Erst 1986 einigte man sich international auf die Regeln.

Eskimorolle

Mehrmals wöchentlich treffen sich die 30 Kanupolospieler zum Training an der Alten Donau in Wien. Der Deutsche Jens Eipper spielt seit 2010 im Team. Er fuhr mit der U1 über die Brücke und sah die Gruppe trainieren. Er beschloss, mitzumachen. Schon in seiner Heimatstadt Essen hatte er Kanupolo gespielt. „In Österreich ist die Sportart noch im Aufbau. Erst seit heuer im Sommer gibt es einen professionellen Trainer,“ sagt Jens. Österreichische Meisterschaften werden noch nicht ausgetragen. Momentan gibt es nur vier Teams in Ybbs, Salzburg, Wien und Innsbruck. Deshalb fährt das Wiener Team zu internationalen Wettbewerben und paddelt gegen Teams aus Deutschland, Ungarn, Italien und der Tschechischen Republik.

Das Wiener Team trainiert im Sommer auf der Alten Donau. Heuer wollen sie erstmals auch im Winter im Freien paddeln. Solange die Alte Donau eisfrei ist. Friert sie zu, übersiedeln sie zu den Slalom-Kanu-Fahrern auf der Neuen Donau. Eingepackt in Neoprenanzüge wollen sie im Winter ihre Ausdauer verbessern. Um die Eskimorolle nicht zu verlernen, üben sie einmal monatlich im Schwimmbecken in Strebersdorf. Im Spiel kommt es vor, dass man umkippt und kopfüber unter dem Boot im Wasser hängt. Der geübte Kanupolospieler beherrscht die Eskimorolle, um wieder aufzutauchen. Er kann auch den Ball mit unter das Wasser nehmen. Nur sollte er gewappnet sein, denn wenn er wieder auftaucht, warten schon die Gegner darauf ihm den Ball abzujagen.

„Pommes rot-weiß“

Es gibt keine dezidierten Torfrauen oder -männer. Was bei seltenen Weitwürfen über die gesamte Spielfeldlänge gefährlich sein kann. Normalerweise greifen immer alle fünf Spieler gemeinsam an. Einer der Verteidiger stellt sich unter das Tor und versucht mit dem Paddel den Ball abzuwehren. Jede Angriffstaktik wird vom Kapitän angesagt, manchmal auch unter Decknamen, um das gegnerische Team in die Irre zu führen, wie das Kommando „Pommes rot-weiß“. Zwei Spieler paddeln in die gegnerische Abwehr, versuchen dessen Kanus wegzuschieben und ein Dritter nutzt die freie Lücke, um auf das Tor zu schießen.

Nach zweimal zehn Minuten Spielzeit ist das Match zu Ende. Bei Turnieren gibt es auch k.o.-Spiele. Hier entscheidet das Golden Goal oder ein Penaltyschießen aus sechs Meter Entfernung zum Tor.

Kosten: Vereinsgebühren bis 18 Jahre: 43 Euro pro Jahr, für Erwachsene 86 Euro pro Jahr. Inkludiert ist die Ausrüstung wie Boote, Helme, Schwimmwesten und Paddel. Schnupperkurse ab 5,00 Euro. Schwimmbeckentraining in Strebersdorf: 10 Euro Eintritt. Badehose und Handtuch mitnehmen.

Anmeldung
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Der Trainer Felix Kutscha saß fünf Jahre lang alleine im Boot. Er war Slalomfahrer. „Aber eigentlich bin ich ein begeisterter Ball- und Teamsportler, und somit ist Kanupolo die perfekte Möglichkeit, beides zu kombinieren.“ Auch wenn es manchmal schwierig ist, die Sportart seinen Freunden zu erklären. „Glauben doch einige, dass wir auf echten Pferden im Wasser spielen. Denen sagen wir, dass wir in Wirklichkeit auf Seepferdchen reiten, andere meinen, wir würden Tretbootgolf spielen.“

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