Marliese Mendel
Initiative

Von Geriatriewellen, Unterkubaturen und schweigenden Politikern

Donnerstag, 27. März 2014
Seit Jahren kämpft eine Gruppe von Menschen um die Erhaltung des einzigartigen Otto-Wagner-Areals auf der Baumgartner Höhe. Vor einigen Tagen trafen sie sich in der Ernst-Fuchs-Villa um neue Pläne zur Rettung des Areals zu schmieden.

Der Maler Ernst Fuchs kam auch zum Treffen in die Villa. Vor Jahren hatte er die Otto-Wagner-Villa vor dem Verfall gerettet und ein Museum für seine Bilder eingerichtet. Er scherzt, er sei am Weg nach Steinhof, weil alle Wege enden in Steinhof. Aber bevor er seinen letzten Weg auf die Baumgartner Höhe antritt, trifft er sich mit der Krimiautorin Claudia Rossbacher, dem Burgschauspieler Roland Koch und Bürgeraktivisten. Sie alle sind durch den Hintereingang in die Jugenstil-Villa gekommen um Pläne zu schmieden wie das Otto-Wagner-Areal am Steinhof vor der Zerstörung zu retten sei.

Seit Jahren wälzt die Stadt Wien Pläne, das Ost-Areal mit Wohnhäusern zu verbauen, somit das Krankenhaus-Ensemble zu zerstören und der Öffentlichkeit zu entziehen. Eine Bürger-Initiative macht seit Jahren dagegen mobil. Jetzt trafen sie sich in der Ernst- Fuchs-Villa, um Ideen zur Rettung der Bauten zu besprechen und um zu verhindern, dass auf dem Gelände Wohngebäude errichtet werden.

Kommunaler Brutalkapitalismus

Steinhof, Gerhard Hadinger, Fuchs Villa, Claudia Rossbacher
Marliese Mendel
Bernd Lötsch

Auch der Biologe Bernd Lötsch ist gekommen. Er ist, der Meinung, dass die Erbauung der Wohnungen nicht nur Privatisierung von öffentlichen Grund sei, sondern kommunaler Brutalkapitalismus. Lötsch vermutet, dass die Stadt Wien mit dem Gelände noch viel vor habe. Viel, was die Taschen einiger füllen, aber nicht dem Gemeinwohl dienen würde. Dabei wäre es an der Zeit nachzudenken, wie man mit der riesigen Geriatriewelle umgeht, die auf die Stadt zukommt. Will man all diese alten Menschen in fabriksähnlichen Großkrankenhäusern unterbringen? Ist die Lage am Steinhof zu schön für Sterbende und Nervenkranke? Dürfen nur Reiche und Schöne dort wohnen? Die Architekten sprechen tatsächlich von „Unterkubatur“, das heißt, es gäbe genügend Platz Wohngebäude zu errichten.

Würde man die „Unterkubatur“ beheben, sprich Wohnhäuser hinbauen, wäre das von Otto Wagner gestaltete Jugendstil-Ensemble für immer zerstört. 1905, als Wien die 2-Millionengrenze überschritten hatte, hat der Wiener Gemeinderat einen Wald-und-Wiesengürtel als unbedingt schützenswert zur Erhaltung der Gesundheit und der Schönheit des Stadtbildes eingerichtet. „Es ist seltsam, das etwas, das unter dem monarchischen Wien möglich war, in einer rot-grünen Stadtregierung – sozial und ökologisch verbinden sollte – so ein Streitpunkt wird“, sagt Lötsch.

Stadt der Stille

Steinhof, Gerhard Hadinger, Fuchs Villa, Claudia Rossbacher
Marliese Mendel
Claudia Rossbacher

Ganz ähnlich sieht das auch die Krimiautorin Claudia Rossbacher. Sie findet es wichtig, dass die Baumgartner Höhe für sozialmedizinischen Zwecke erhalten bleibt. Es kann sich nicht jeder leisten in einer so wunderbaren Gegend zu gesunden und gepflegt zu werden. „Meine Mutter hat dort ihre letzten Tage verbracht und von daher habe ich einen persönlichen Bezug dazu“, erzählt sie. Sie wünscht sich, dass ein Geriatriezentrum errichtet wird, weil es eine wunderschöne Gegend ist um Kraft zu tanken und zu genießen, um Ruhe zu haben, zu sich zu finden, sich zu verabschieden.

Carola Röhrich ist Teil der Bürger-Initiative Steinhof-erhalten. Sie wünscht sich, dass die Pavillons restauriert werden. Sie will, das dort ein Rastplatz, ein Ruhepunkt, eine Stadt der Stille, für die Leute in den letzten Lebensphasen entsteht und dass sich die Jungen dort erholen können.

Sie meint, es sei bestimmt schöner die letzten Lebenstage auf der Baumgartner Höhe zu verbringen, als in einem Winkel im Spital. Man sollte die letzten Stunden und Monate einen Blick ins Grüne haben. „Es gibt Rehe und Dachse. Auf der Mariahilferstraße werden Bäume gepflanzt, aber auf der Baumgartner Höhe werden Bäume umgehackt, damit die Reichen und Schönen dort wohnen können. Es müssen auf der Baumgartner Höhe keine Bauten errichtet werden, zu keinem Zweck, das was vorhanden ist, soll renoviert, geschützt und UNESCO-Kulturerbe werden.“

UNESCO-Kulturerbe

Der Autor Christian Schuhböck beweist in seiner vor kurzem veröffentlichten Vergleichs- und Machbarkeitsstudie, dass das Otto-Wagner-Spital die Kriterien eines UNESCO-KULTURERBE erfüllt. Er wünscht sich, dass die Stadt Wien den Antrag an die UNESCO stellt. Aber, so sagt er, „in Österreich fehlt der politische Wille dazu. Selbst der Bund, das Kulturministerium, sagt, wir warten eigentlich nur mehr auf den Antrag seitens der Stadt Wien.

Gerhard Hadinger ist einer der Aktivisten der ersten Stunde. Er reichte letztes Jahr eine Petition ein, um das Otto-Wagner-Areal zum UNESCO-Kulturerbe erklären zu lassen. Er erhielt eine Absage vom Petitionsausschuss. Bis heute wartet er vergeblich auf eine sachliche Stellungnahme.

Jetzt hat er eine zweite Petition eingereicht, diesmal geht es gegen die Wohnverbauung des Geländes. Innerhalb von zwei Wochen sammelten die Aktivisten mehr als 500 Unterschriften. Danach wurde die Online-Petition geschlossen. Jetzt reichen sie beinahe wöchentlich bei der MA62 Unterschriftenlisten nach. „Mittlerweile haben wir über 1700 Unterschriften und es ist fantastisch. Eine 82-jährige Dame sammelt an schönen Wochenende Unterschriften in Steinhof. Es ist deprimierend, dass sich die Politiker der Stadt Wien taub stellen“, sagt Hadinger.

Schweigen der Politiker

2008 wurde in der Gemeinderatssitzung in Wien beschlossen, einen der acht Bauplätze an die Firma GESIBA zu verkaufen. 2011 plante die GESIBA dort 620 Wohnungen zu bauen. Das hat die Bürger-Initiative steinhof-erhalten zwar nicht verhindern können. Aber zumindest sollen jetzt wesentlich weniger Gebäude errichtet werden. Geht es nach Hadinger, soll gar kein Wohnhaus gebaut werden.

„Ich glaube sie werden nicht vor den Wahlen beginnen zu bauen“, vermutet er „Momentan heißt es offiziell nur, dass es eine Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der GESIBA gibt. Auch wenn die Kaufgeschichte rückabgewickelt wird, besteht ja der Wille, dass die GESIBA ein Baurecht auf 99 Jahre kriegt. Dann haben sie es halt nicht gekauft, aber sie dürfen trotzdem bauen. Die Grüne Gemeinderätin Jennifer Kickert hat gesagt, dass die Vorschläge der Architektenteams, das Maximum ist, das gebaut werden darf und nicht mehr. Dann frage ich mich, warum bekommt die GESIBA ein Baurecht auf 99 Jahre, wenn sie dann eh nicht mehr bauen dürfen? Man will den Menschen Sand in die Augen streuen. Was nicht passiert ist die Rückwidmung des Flächenwidmungsplanes.“

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