Christian Postl
Social Media

Facebook ist schlecht im Bett

Mittwoch, 15. Januar 2014
Warum Facebook oft ein Scheidungsgrund ist und wie man es sinnvoller nutzen kann, verrät die deutsche „Digital-Therapeutin“ Anitra Eggler in ihrem Buch mit dem ziemlichen provokanten Titel: „Facebook macht blöd, blind und erfolglos“.
„Digital-Therapeutin“ Anitra Eggler
Christian Postl

Die Hand ständig am Smartphone? Permanent am E-Mail checken und Facebook einloggen? Egal, ob am Klo, beim Autofahren oder bei der Familienfeier? Niemals wirklich da? Das sprichwörtliche „abschalten“ ist für viele Menschen denkbar unmöglich geworden – damit zum Fluch unaufhörlicher Erreichbarkeit herangewachsen.

‘Zuerst checken, dann strecken’, kann auf Dauer nicht gesund sein. Auf den gesunden Umgang mit Smartphone, Google, Facebook und Co. hat sich „Digital-Therapeutin“ Anitra Eggler spezialisiert. Mehr als 15 Management-Jahre an „vorderster Internet-Front“ haben Eggler zu einem Umdenken in Bezug auf die Nutzung der Online-Medien geführt. Eggler spricht sich nicht per se gegen die zunehmende Digitalisierung unserer Lebensbereiche aus. Vielmehr plädiert sie für einen sorgsamen Umgang mit Online-Medien und -Geräten, die uns ein Maximum an Nutzen einbringen.

„Facebook macht blöd, blind und erfolglos“, lautet der provokante Buch-Titel der Journalistin und Autorin Anitra Eggler. In dem spannend aufbereiteten Werk versucht die 1973 in Karlsruhe geborene Kommunikations-Expertin zu vermitteln, wie es gelingen kann Facebook sinnvoll und gewinnbringend zu nutzen. Oder wie das Smartphone nicht zur Dauerablenkung und zum Zeitkiller wird, sondern zum wirklich „smarten“ Begleiter. Als „Digital-Therapie“ werden „idiotensichere und lustvolle Selbst-Tests“ verschrieben und Diagnosen erstellt, die „sofortige Wirkung“ versprechen.

Digitalisierung wird nur dann zum Fluch, wenn wir uns die Medienmöglichkeiten diktieren lassen und nicht unseren gesunden Hausverstand benutzen,“ erläutert die eloquente Digital-Therapeutin. Vor zwei Jahren hat Eggler – als ehemalige Agentur-Chefin und Start-up-Managerin im Dauereinsatz – Bilanz gezogen und mit Entsetzen festgestellt, dass sie bereits einige Jahre ihres Lebens „versurft und ver-e-mailt“ hatte. Das hat sie schließlich dazu geführt, einmal ihr eigenes Internet-Verhalten kritisch zu hinterfragen und zu optimieren.

Ständiges E-Mail-Checken macht dumm

„Digital-Therapeutin“ Anitra Eggler
Lukas Dostal

„Sinnlos-Internet-Surf-Syndrom“ oder „Facebook-Inkontinenz“ nennt Eggler jene sozialen Krankheiten, die sich bei immer mehr Mitarbeitern in Unternehmen und Nutzern einstellen. Digital-Therapeutin Eggler zitiert eine Studie, wo im Rahmen eines 75-jährigen Lebens alleine 8 Monate Lebenszeit nur mit dem Löschen unerwünschter E-Mails verplempert werden. Bis zu 40 Mal pro Tag checken Firmen-Mitarbeitern im Durchschnitt ihren E-Mail-Postkasten. Die tägliche E-Mail-Lawine führt dabei zu massiven Produktionsverlusten.

Wie darf man sich eine Digitaltherapie vorstellen? „Eine Digital-Therapie hilft Menschen und Unternehmen mit einfachen Kommunikations- und Konfigurationstricks aus digitaler Kommunikation all den Segen herauszuholen, für den die digitale Revolution angetreten ist.“ Kurz: es geht bei den Tipps und Tricks um Zeitersparnis, um Wissensgewinn, effiziente Kommunikation und Vereinfachung von vielen Dingen im Alltag. Vor allem aber geht es darum, den richtigen Mix aus On- und Offline-Modus zu finden. Bausteine zusammenzusetzen, die eine neue, stressfreie und produktive digitale Kommunikationskultur ermöglichen.

E-Mail macht dumm, krank und arm“, der zweite provokante Buchtitel von Anitra Eggler bezieht sich auf durchaus stichhaltige Fakten: so hat eine Studie am britischen King’s College belegt, dass bekiffte Menschen IQ-Tests besser lösen als Menschen, die durch E-Mails abgelenkt werden. Durch E-Mail-Multitasking, so die Studie, sank der gemessene IQ-Wert um zehn Prozent – doppelt so stark wie bei der Kiffer-Gruppe. Das Resümee Egglers: ständiges E-Mail-Checken macht dumm.

Ein zweiter Fakt, dass E-Mails krank machen: Informationsflut in Kombination mit ständiger Arbeitsunterbrechung durch E-Mails, Handy, Sinnlos-Surfen und „die lieben Kollegen“, machen unkonzentriert und unproduktiv. Wird dieser Zustand Normalzustand, entsteht die neue Kommunikationskrankheit „Attention Deficit Trait (ADT)“: sprich krankhafter Konzentrationsverlust durch zwanghafte Ablenkung.

„Das Internet ist da, und das ist gut so“

Anitra Eggler, Facebook macht bloed, Buch, Wolf
Verlag: Orell Füssli

Fakt 3: E-Mails machen arm – und zwar beziehungstechnisch und betriebswirtschaftlich: die New Yorker Beraterfirma „Basex“ hat bereits 2008 herausgefunden, dass Angestellte durch Ablenkung im Schnitt 2,1 Arbeitsstunden am Tag verplempern – macht 28 Milliarden Arbeitsstunden im Jahr. Wirtschaftlicher Schaden: 588 Milliarden US-Dollar!

Bereits jede dritte Scheidungsklage in den USA zitiert die Worte Facebook, Handy und E- Mail. Wundert uns das?, fragt sich Digital-Therapeutin Anitra Eggler. Nein. Wer überall zu gleich sein will, ist nirgends mehr richtig – wer mehr Zeit mit digitaler Kommunikation verbringt, als mit den Menschen, die er von Herzen liebt, braucht sich nicht wundern, wenn er beziehungstechnisch verarmt…

Ganz so negativ fällt die Bilanz von Anitra Eggler über die Digitalisierung unseres Berufs- und Freizeitlebens aber dennoch nicht aus. „Das Internet ist da, und das ist gut so“. Digitale Kommunikation ist immer genau das, was „wir“ daraus machen. Keine Software dieser Welt wird unser Verhalten ändern, wenn wir es nicht ändern.

„Ich liebe das Internet und mein iPhone“, betont Anitra Eggler. In der Zwischenzeit ist sie gefragte Digital-Therapeutin und hält viele Vorträge und Workshops ab. „Ich kann aber inzwischen privat gut ohne Online-Standleitung leben, beruflich geht das natürlich nicht. Aber wenn ich die Wahl habe, eine Stunde surfen oder eine Stunde lesen, dann lese ich ein Buch – analog.“

Anitra Eggler: Facebook macht blöd, blind und erfolglos: Digital-Therapie für Ihr Internet-Ich. Verlag Orell Füssli, April 2013, EUR 19,95

Über den Autor:

Helmut Wolf

Helmut Wolf ist Journalist, Autor und Netzwerker im Bereich nachhaltiger Lebenskultur und war rund 10 Jahre Chefredakteur des Magazins “pool – life & culture”. Die sensible Auseinandersetzung mit Fragen der Nachhaltigkeit ist das Markenzeichen seiner Arbeit. Im Rahmen des Lehrgangs „Zukunftsfähiges Wirtschaften“ hat er eine Ausbildung zum Nachhaltigkeits-/CSR-Manager absolviert.

Zudem eine weiterführende Ausbildung zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten nach der Global Reporting Initiative (GRI).
Über seine Tätigkeit sagt er: „Projekte und Themen journalistisch aufzubereiten, die sinnstiftend sind, Spaß machen und die Welt ein wenig besser machen, sind meine tägliche Triebfeder“. Neben seiner Funktion als Autor und Journalist für diverse Magazine und Blogs ist Wolf seit Mitte 2013 Chefredakteur der Non-Profit-Plattform www.lebenskonzepte.org.

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