GPA-djp-Protest 2017
GPA-djp-Protest 2017, by Marliese Mendel
Kollektivvertrag

Die Kündigung

Montag, 26. Juni 2017
Kollektivvertragsverhandlungen sagt man einiges nach, sie seien nervenaufreibend oder nur ein Schauspiel samt Gulaschessen. Die Geschichte des inzwischen erloschenen Kollektivvertrages des grafischen Gewerbes gleicht jedoch eher einem Krimi.

Eigentlich hätten die rund 8.800 Beschäftigten in den österreichischen Druckereien im Jänner 2017 Grund zu feiern gehabt. Der älteste österreichweit geltende Kollektivvertrag wäre einhundert Jahre alt geworden, hätte nicht einer der Sozialpartner – der Verband Druck & Medientechnik (VDM) – im September 2016 eine Statutenänderung beschlossen: die Streichung des Kollektivvertrag-Verhandlungsmandates.

Ein bisher einmaliges Vorgehen, um Kollektivvertragsverhandlungen zu verhindern und einen bestehenden Kollektivvertrag auszuhebeln. Doch das Säbelrasseln hatte schon vor zwölf Jahren begonnen. Der VDM verortete missverständliche Formulierungen sowie unzählige Zusatzbestimmungen und Ausnahmen im Kollektivvertrag, und somit sei dieser „zu einem nicht mehr tragbaren Risikofaktor für die Druckereien“ geworden. Den Betrieben drohe seit der Verabschiedung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes auch bei kleinsten Vergehen massiven Strafen, begründet der VDM sein Vorgehen. Die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) sagt jedoch, sie sei bezüglich einer Vereinfachung des Kollektivvertrag immer gesprächsbereit gewesen, und die Unternehmer_innen hätten stets auf Ausnahmeregelungen gepocht.

Die Verhandlungen

Zweimal hatte die GPA-djp bisher „zähneknirschend“ rahmenrechtliche Verschlechterungen hingenommen. Allerdings nur um den österreichweit geltenden Kollektivvertrag zu erhalten. Seit 2012 arbeitet ein Teil der Beschäftigten wieder 38,5 statt bisher 37 Stunden pro Woche, die tägliche normale Arbeitszeit kann bei Bedarf jedoch auf neun Stunden ausgedehnt werden. Im Rahmenrecht ist ein erweitertes „Bandbreitenmodell für die Krise“ eingeführt worden und somit kann die Normalarbeitszeit auf elf Stunden pro Tag ausgeweitet werden. Seit 2010 entfällt der 50-prozentige Nachtarbeitszuschlag zwischen 18.00 und 19.00 Uhr in einigen Branchen und in manchen Spaten können seit 1. April 2012, als „Kriseninstrument“, die Mehrstundenzuschläge entfallen. Und die Biennalsprünge wurden reduziert. Den GPA-djp-Verhandler_innen gelang es jedoch im Jahr 2012 eine Lohnerhöhung von 3,75 Prozent zu vereinbaren und die Vertragskündigungsmodalitäten zu ändern: statt drei Monaten gelten nun sechs Monate Kündigungsfrist und würde der VDM den Kollektivvertrag kündigen, würden all die 2012 vereinbarten Regelungen wieder wegfallen.

Die GPA-djp reichte beim Obersten Gerichtshof eine Feststellungsklage ein: sie vermuten, dass die Statutenänderung des VDM ein „Trick“ sei, um zu verhindern, dass die Kündigungsmodalitäten schlagend werden.

Ämterkumulation

Schon vor dem Protest und der Kundmachung in der Wiener Zeitung hatte jedoch ein „Ping-Pong-Spiel“ begonnen. Bei der Protestveranstaltung sagte Schuster, dass die Fachgruppe Druck in der Bundeswirtschaftskammer erklärt habe, solange keinen Kollektivvertrag verhandeln zu können, bis die Kollektivvertragsfähigkeit dem VDM nicht aberkannt wäre und könne somit auch von den WKO-Landeskammern nicht fordern, die Vertragsverhandlungen an die Bundeswirtschaftskammer abzutreten.

Eine typische österreichische Ämterkumulation könnte den Abschluss eines bundesweiten Kollektivvertrages jedoch weiter erschweren: den der Präsident des VDM, Gerald Watzal, ist gleichzeitig der Obmann der Fachgruppe Druck in der Wirtschaftskammer Salzburg und die Vizepräsidentin des VDM, Ingeborg Drockner, ist gleichzeitig Obfrau des Fachverbandes Druck und Fachgruppenobfrau der WKO-Landesgruppe Niederösterreich. Was zu der skurril anmutenden Situation führt, dass jene Personen die sich das Kollektivvertrag-Verhandlungsmandat selbst entzogen haben, nun das Verhandlungsmandat der Bundesländer Salzburg und Niederösterreich an die Bundeswirtschaftskammer abgeben sollen und die Vizepräsidentin des VDM soll als Obfrau des WKO-Fachverbandes Druck einen gesamtösterreichischen Kollektivvertrag mit der GPA-djp ausverhandeln.

Die Reaktion

Als Reaktion auf die Protestveranstaltung und die Kundmachung im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlichte die VDM wiederum eine Presseaussendung: Der Kollektivvertrag für das grafische Gewerbe sei untergegangen. Gleichzeitig stellen sie ihren rund 200 Mitgliederbetrieben während der „Umstellungsphase“ ein Team von Arbeitsrechtsexpert_innen zur Seite, „um Unternehmen bei der Identifizierung von sozial- und lohndumpingrelevanten 'Fallstricken' behilflich zu sein, um damit auf betrieblicher Ebene Rechtssicherheit zu schaffen.“ Auch wenn für die bereits in Dienstverhältnissen stehenden weiterhin die bisherigen Vereinbarungen gelten, bis es neue gibt, so gibt es immer noch die Möglichkeit der Änderungskündigung – wenn Arbeitnehmer_innen mit bestimmten – meist Verschlechterungen – des Arbeitsvertrages nicht einverstanden sind. Stimmen diese innerhalb einer gewissen Frist doch zu, wird die Kündigung zwar aufgehoben, aber es gelten nun auch die schlechteren Bedingungen.

Genau dass versucht die Gewerkschaft jedoch zu verhindern: Einzelvereinbarungen. Die statt den bisherigen Kollektivvertrags 37 bzw. 38,5 Wochenstunden, nach dem Arbeitszeitgesetz 40 Wochenstunden, statt des kollektivvertraglich festgelegten Lohnes den „ortsüblichen“ Lohn ermöglichen.

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