Elsa Mährenbach
Rezension

Austern mit Ketchup, Versailles on a budget

Montag, 24. Februar 2014
Der Kabarettist Clemens Haipl blattelt mit dem Buch „Der Wiener takes it all“ die Klischees rund um seine Heimatstadt schonungslos auf. Und zwar komplett subjektiv.
Punsch Trinken
Alexandra Gruber
Punsch mag Haipl gar nicht

„Wien besteht eben nicht nur aus Fiakern, Heurigen und vergoldeten Barockbauten... es nutzt nichts." Das findet zumindest Kabarettist und Autor Clemens Haipl. In seinem Buch „Der Wiener takes it all“ macht er das, was ein Wiener angeblich am besten kann: Granteln, aber das mit viel Schmäh. Dass Haipl seine Geburtsstadt eigentlich doch in sein goldenes Wiener-Herz geschlossen hat, lässt er aber immer wieder durchschimmern. Oh je, gleich drei Wiener Klischees im ersten Absatz...

Schloss Schönbrunn ist wie „Versailles on a budget“, die Gloriette das „Wahrzeichen österreichischer Mittelmäßigkeit“. In der Adventzeit gibt es vor dem Schloss einen Christkindlmarkt, dort kann man sich „den Magen mit Punsch und Glühwein verkleben.“ Christmas in Vienna ist für Haipl sowieso das Schlimmste. Rufzeichen! Punsch sei unverkäuflicher Wein, mit Zucker und Gewürzen versetzt. Ein minderwertiges Produkt werde als schöne Tradition verkauft, schlicht ein Marketing-Geniestreich.

„Stätte des Grauens“

Caritas am Mittersteig
Alexandra Gruber
Einkaufen bei Carla

Die Kärntner und die Mariahilfer Straße, mehr Straßen braucht Wien eigentlich nicht. „Erstere für alle, die glauben, völlig überteuerter Wahnsinn von internationalen Konzernen in lauschigem Monarchie-Ambiente gehört zu jedem guten Städteurlaub dazu. Zweitere für alle, die glauben, dass Wahnsinn zu normalen Preisen von internationalen Konzernen in lauschigem So-lala-Monarchie-Ambiente zu jedem guten Städteurlaub gehört.“

„Unter Schmerzen“ schreibt Haipl über die Lugner City. Das schlimmste Einkaufszentrum überhaupt, und Einkaufszentren seien ja im allgemeinen schon schlimm genug. Haipl rechnet in der „Stätte des Grauens“ damit, dass jeden Moment „der wahnsinnige Baumeister“ hinter einem Unterhosen-Ständer hervorspringen könnte und „Austern mit Ketchup verspeist.“

Das Einkaufen ist in Wien sowieso so eine Sache, vor allem am Wochenende. Man hat nur zwei Möglichkeiten: „Lieber doch nicht einkaufen. Oder: am Bahnhof einkaufen. Man kann das auch machen, wenn man masochistisch veranlagt ist... Lauter Geistesgestörte kurz vor der Massenpanik mit Suppengrün und Milch in der Hand.“

Soviel noch zum Shoppen: Sein liebstes Kleidungsstück für die Bühne hat der Autor einst in der Carla, der Caritas am Mittersteig gefunden: Einen „rosa-türkis-farbenen Trainingsanzug aus den 80-er Jahren“.

Wurstsemmeln statt Humus

Donaukanal
Alexandra Gruber
Donaukanal im Sommer

Haipl outet sich mit seinen guten Kenntnissen über die Gräfin am Naschmarkt und das Cafe Bendl als Nachtschwärmer. Diese Lokale, das weiß jeder Innenstadt-Lepschi-Geher, haben immer offen. Zumindest um vier Uhr in der Früh. Das Cafe Bendl in der Landesgerichtsstraße ist „schmuddelig, grauslich, verraucht...“ Haipl liebt diese Beisln gerade deshalb. Solange er sie nicht am Tag und nüchtern betreten muss.

In den Sommermonaten genießt der Kabarettist den Donaukanal, fordert aber Wurstsemmeln statt Humus. Und bitte, die Massen sollen den Donaukanal meiden, sonst hat ihn Haipl nicht mehr für sich und seine Freunde: „Also gehen Sie woanders hin!“

Bobos essen Zitronengras

Clemens Haipl
Metroverlag

Bobos, also Bourgeouis-Bohémien, die angepasst-unangepassten Bewohner der Innenstadt, sind für Haipl „lächerlich, zeitgeistige Klugscheißer...“ Falls jemand keinen Bobo kennt: Clemens Haipl ist der Prototyp, darum weiß er, wovon er spricht.

Bobos empören sich über die Ungerechtigkeit in Tibet und die hohen CO2-Werte, besitzen aber das neueste iPhone und essen Zitronengras statt heimischer Kräuter. Das Epizentrum dieser Lebenshaltung ist für Haipl das Museumsquartier, in dem er gerne rumhängt. Denn der Gratis-Internetzugang ist beruhigend, es ist cool und man versäumt nichts.

Clemens Haipl: Der Wiener takes it all. Mein schonungsloser Wien-Führer
METRO-VERLAG WIEN, Februar 2014
Preis: 19,90 €
192 Seiten
auch als E-Book erhältlich

www.metroverlag.at
www.clemenshaipl.at

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